Themen, politische Ziele und Strategien rechter und rechtsoffener Gruppierungen
Kernelemente einer extrem rechten Einstellung sind:
- Übersteigerter Nationalismus („Chauvinismus“)
- Verharmlosung des Nationalsozialismus
- Rassismus in unterschiedlichsten Ausprägungen
- Ablehnung der Demokratie und Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur
- Sozialdarwinismus („Wie in der Natur soll sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen“1 )
- Systematische Bedrohung politischer GegnerInnen
- Bereitschaft, politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Tote und Verletzte werden dabei in Kauf genommen
Die Bandbreite an rechten Themen ist groß. Während manche Forderungen schnell als rassistisch oder neonazistisch erkannt werden können, werden andere nicht gleich mit der rechten Szene in Verbindung gebracht. Im Folgenden einige Beispiele von Themen sowie Strategien der bayerischen extremen Rechten sowie der rechtsoffenen Szene.
Aus Verbrechern werden Helden gemacht — Verherrlichung des Nationalsozialismus
Obwohl die nationalsozialistische Gewaltherrschaft als eine grausame, von Tod und Terror geprägte Zeit war, beschönigen Neonazis diese Zeit meist. Neonazis demonstrieren regelmäßig in Städten, die 1945 von den Alliierten bombardiert wurden. Sie betrauern dabei ausschließlich deutsche Kriegsopfer und versuchen damit, einen deutschen Opferkult fortzusetzen oder neu zu schaffen. In einem regelrechten Totenkult werden nationalsozialistische VerbrecherInnen geehrt. Im oberfränkischen Wunsiedel, wo der ehemalige Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zeitweise beerdigt war, führen Neonazis seit mehr als zwanzig Jahren Aufmärsche durch. Außerdem besuchen sie Kriegerdenkmäler und Friedhöfe, auf denen prominente NationalsozialistInnen begraben worden sind.
Rassismus und völkischer Nationalismus — je dunkler die Hautfarbe, desto grösser die Ablehnung
Extrem rechte Gruppen propagieren typischerweise eine rassistische Grundhaltung gegenüber bestimmten in Deutschland lebenden MigrantInnen und deren Nachkommen. Nur Menschen mit „deutschen“ Vorfahren sollen in Deutschland leben dürfen. Alle anderen sollen Deutschland verlassen oder vertrieben werden, und zwar unabhängig davon, ob sie hier geboren sind oder den deutschen Pass besitzen. Wer oder was „Deutsch“ ist, definiert die rechte Szene selbst. Je dunkler die Hautfarbe eines Menschen ist, desto mehr wird er durch RassistInnen angefeindet. Während Hellhäutige mit schweizerischem oder schwedischem Pass geduldet werden, lehnt man Dunkelhäutige auch dann ab, wenn sie bereits seit Generationen hier leben und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Wiederholte Hetzwellen gegen Geflüchtete
Nachdem die Asylantragszahlen Anfang der 1990er Jahre stark gestiegen waren, brachten PolitikerInnen und Medien fremdenfeindliche Parolen auf und stellten die „Asylanten-Fluten“ als Bedrohung dar. Hieraus erwuchs ein gesamtgesellschaftliches Klima, in dem es zu zahlreichen rechten Gewalttaten und Morden kam.2 Das bis dato im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl wurde 1993 faktisch abgeschafft.3 Ab 2014 flohen viele Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien und aus anderen Staaten nach Europa. In der Folge begannen verschiedene Pegida-Initiativen sowie weitere rassistische und neonazistische Gruppen auch in Bayern gezielt gegen Geflüchtete und Muslime zu hetzen. Dabei wurde die meist flüchtlingsfeindliche Politik von Bundesregierung und EU aufgegriffen und radikalisiert.
Seit 2010 werden in Bayern beinahe wöchentlich Geflüchtete bedroht oder angegriffen.4 In den Jahren 2015 und 2016 nahm die Anzahl von Attacken gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte drastisch zu. Sie verfünffachte sich von 95 Vorfällen im Jahr 2015 auf 554 im Folgejahr. Neben Brandanschlägen wurde auch mit Molotowcocktails gegen die Geflüchteten vorgegangen. Es gab 41 tätliche Übergriffe und mehr als 500 Stein- und Böllerwürfe, Schüsse, rechte Schmierereien und sonstige Bedrohungen im südlichsten Bundesland.5
Zur geflüchtetenfeindlichen Stimmung, die unter anderem die oben beschriebenen gewalttätigen Angriffe mit sich brachte, trug auch die Agitation von PolitikerInnen der selbst ernannten „Alternative für Deutschland“ bei. In Reden und auf Facebook-Seiten bayerischer AfD-PolitikerInnen wurde gegen Menschen gehetzt, die vor Krieg und Verfolgung geflohen waren. Ein Beispiel: Katrin Ebner-Steiner, von 2018 bis 2021 Fraktionsvorsitzende der AfD im bayerischen Landtag, behauptete bereits im Dezember 2017 auf ihrer Facebook-Seite, dass junge Migranten „kulturell bedingt“ zu „sexuellen Übergriffen, Nötigungen und Gewaltdelikten“ neigten und forderte eine „Ausgangssperre in allen bayerischen Asylunterkünften.“6 In einer Rede im Jahr 2016 in Traunreut äußerte sich die niederbayerische AfD-Politikerin im Zusammenhang mit dem Zuzug von Geflüchteten in völkisch-nationalistischer Manier: Sie sprach von einem „Einwanderungstsunami“, der ein „Frontalangriff auf das deutsche Volk“ sei.7
Ziel: Unterwanderung und Destabilisierung
Der Journalist Paul Middelhoff spricht von etwa 180 neu-rechten Organisationen, die „das politische Vorfeld der AfD“ bilden.8 Auf verschiedenen Ebenen versucht dieses UnterstützerInnenmilieu, Themen wie Migration, Klimaschutz, Familienbild, Medien oder Pandemiepolitik nach rechts zu wenden. Die AfD trägt dann „die Themen und Projekte des Milieus in die Parlamente“.9 Der Buchautor und Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer spricht in diesem Zusammenhang von rechten „Bedrohungsallianzen“.10 Die Rechten versuchen, in Institutionen einzudringen, diese zu destabilisieren und so „gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie“ 11 vorzugehen. Staatliche Behörden wie Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz sollen unterwandert werden.12
„Tier- & Heimatschutz“
Neonazis versuchen auch, mit dem scheinbar selbstlosen Engagement für Tiere für sich zu werben: „Engagiere dich und tritt mit uns in Kontakt“ ist auf einem Flyer zu lesen, der sich gegen den Einsatz von Zirkustieren einsetzt.13 Der in der extrem rechten Szene beliebte Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ zeigt, wie sehr das Umweltthema in der extremen Rechten mit einer Blut- und Bodenideologie verwoben ist.
Rechte Esoterik & völkische Siedlungsbewegungen: Beispiel Anastasia
Völkische Siedlungsprojekte, die der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung nahestehen, versuchen auch in Bayern Fuß zu fassen.14 In der unscheinbar wirkenden, im mittelfränkischen Röthenbach an der Pegnitz herausgegebenen Zeitschrift „Die Wurzel“ wurde nicht nur für Rohkost und gesunde Ernährung geworben, sondern auch für besagte Anastasia-Bewegung. Ein Buch des Anastasia-Gründers Wladimir Megre mit dem Titel „Das Wissen der Ahnen“ kann im Webshop der Öko-Zeitschrift erworben werden.15 Nach Einschätzung des Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche in Bayern, Matthias Pöhlmann, ist die Anastasia-Bewegung als „antidemokratisch, antisemitisch und rassistisch“ einzustufen.16
Pseudosoziales Auftreten
Mit Slogans wie „Nieder mit Hartz IV, das Volk sind wir“ oder „Arm trotz Arbeit - Kapitalismus zerschlagen“ versuchten Neonazis in der Vergangenheit, auch soziale, eher linke Themen aufzugreifen und für ihre propagandistischen Zwecke nutzbar zu machen. Vor der Corona-Pandemie riefen sie in Konkurrenz zu Gewerkschaften und linken Gruppierungen regelmäßig zu bundesweiten 1.-Mai-Demonstrationen auf.
Von sozialen Verbesserungen sollen nach den Vorstellungen extrem Rechter nur diejenigen profitieren, die aus ihrer Sicht „Deutsche“ sind. Dies gilt auch für Teile der AfD, die mit Slogans wie „sozial ohne rot zu werden“ und „den Sozialstaat neu definieren“ versuchen, für eine Mixtur von unsozialer, neoliberaler und völkisch-nationalistischer Sozialpolitik zu werben. MigrantInnen und als GegnerInnen markierte Menschen sollen aus der sozialen „Volksgemeinschaft“ ausgestoßen und zu BürgerInnen zweiter Klasse gestempelt werden.